Lektorat, Co-Autor, Recherche


Renate Riemeck
Historikerin, Pädagogin, Pazifistin

Sie ist Friedensaktivistin, Reformpädagogin und Historikerin: Renate Riemeck. Geboren 1920 in Breslau, erlebt sie als Studentin, wie die Nationalsozialisten den deutschen Universitätsbetrieb ideologisch umformen. Fast alle Fakultäten werden auf strammen Nazikurs getrimmt, nur die Historiker bleiben, von einigen Ausnahmen abgesehen, bei ihrem Kernthema: Geschichte zu erforschen. Riemeck studiert Deutsch, Geschichte und Geografie. Wie viele Deutsche, ist auch sie kurzzeitig Parteimitglied, tritt aber bald aus der Partei aus und promoviert 1943 über mittelalterliche Ketzerbewegungen. Unversehrt, keineswegs aber unberührt vom Grauen des Naziregimes, beginnt sie ein Pädagogikstudium, wird als jüngste westdeutsche Professorin zu einer beliebten Pädagogin und engagiert sich gegen die Wiederbewaffnung und den Atomkrieg. Von rechten Ideologen als «SED-hörig» verunglimpft, wird sie aus dem Staatsdienst entlassen und verabschiedet sich nach dem Bau der Berliner Mauer endgültig aus der Politik. Unter ihren zahlreichen Publikationen zu Geschichte und Kultur bilden die «Marburger Vorlesungen» über Klassiker der Pädagogik von Comenius bis Reichwein einen Höhepunkt.

Aus Riemecks reichem Leben sind fast nur ihre Rolle als Pflegemutter der späteren Terroristin Ulrike Meinhof und ihre Berührungen mit dem Nationalsozialismus diskutiert worden. Der promovierte Philosoph und Anthroposoph Albert Vinzens korrigiert diese Zerrbilder. Dazu hat er viele private und öffentliche Quellen neu gesichtet und gemeinsam mit seinem Lektor Claus Donau ausgewertet. Jetzt präsentiert er spannende, wenig bekannte Details zur Pädagogik und Politik nach dem Zweiten Weltkrieg und zum Ringen der Linken zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sorgfältig zeichnet Vinzens Renate Riemecks pädagogisches und politisches Wirken in einem Land politisch-moralischer Verwerfungen nach. Wir begegnen einer humanistisch motivierten, empathischen, klugen Wissenschaftlerin, die sich wie wenige Linke schon früh analytisch mit Europas Geschichte befasst hat.


Albert Vinzens
408 Seiten, 20 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, 12,5 x 21 cm. Göttingen 2023