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Visionen der Moderne
Francisco Salamone und Villa Epecuén
Argentiniens Architekturgeschichte ist geprägt von zahlreichen innovativen Architekturprogrammen. In diesem Essay werden zwei der eindrücklichsten Architekturprojekte nachgezeichnet: das Lebenswerk von Francisco Salamone und der Untergang des mondänen Thermalkurortes "Villa Epecuén".
In den 1930er-Jahren initiierte der rechtsgerichtete Gouverneur Manuel Fresco ein grosses Bauprogramm für die Provinz Buenos Aires. Die Konzepte zeichneten sich durch ausdrucksstarke Strenge, Anleihen an die klassische Stilistik und Mittel der Propagandakunst aus. Verantwortlich für die Umsetzung war der italienisch-argentinische Architekt Francisco Salamone. Er stattete die Ortschaften mit monumentaler Architektur aus: Parks und Plätze als Symbole der Gemeinschaft, Verwaltungsgebäude als Zentren der Macht, Schlachthöfe als Zeichen der Produktionskraft, Friedhöfe als Erinnerungsorte. Die mehr als siebzig Bauten, die er zwischen 1935 und 1939 realisierte, sind ein Bekenntnis an die Moderne und zeichnen sich durch Stilelemente von Art Déco und Futurismus aus. Die Kühnheit der Formen und Technologien, die Interieurs und die flexiblen Planungskonzepte zeigen, wie Salamone Modernität verstand. Gleichzeitig spiegeln sie den Konflikt zwischen den europäischen Einwanderern und den indigenen Gemeinschaften. Unter dem Credo «Campañas del desierto» ging es den Regierungen darum, ein vermeintliches Chaos, das sich der Kontrolle des Staates entzog, zu beseitigen und umzugestalten. Dabei spielten Architektur und Stadtplanung eine wichtige Rolle.
Die Geschichte von Villa Epecuén ist ein Musterbeispiel für Immobilienspekulation, Bauboom, politisches Versagen und den Versuch, das Klima zu bändigen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war am Ufer des Lago Epecuén das beliebteste Thermalbad Argentiniens entstanden. Der Salzgehalt des Sees war der zweithöchste nach dem Toten Meer, bald gab es mehrere Thermalkomplexe, Hotels und Sommerhäuser, eine Kirche, eine Schule. Die Hautevolee reiste in Luxuswaggons oder mit dem eigenen Auto an, um sich von Arthrose, Psoriasis und Rheuma zu heilen und abends gemeinsam den «Vermouth» zu geniessen. Ab Beginn der Vierzigerjahre begrüsste Epecuén auch Arbeiterfamilien, in der Hochsaison vergnügten sich zwanzigtausend Besucherinnen und Besucher. Regen- und Trockenperioden lösten einander ab, der Seespiegel drohte zu sinken, also baute man ein komplexes Kanalsystem, das dem See neues Wasser zuführen sollte. Während einer lang anhaltenden Regenperiode im Herbst 1985 stieg der Spiegel unkontrolliert und ertränkte die Stadt. Villa Epecuén musste innerhalb von zwei Wochen evakuiert werden. Die versinkende Siedlung wurde 1992 in Pino Solanas' berühmten Film ‹El Viaje› zum Drehort. Zwanzig Jahre später tauchte Villa Epecuén salzüberkrustet wieder auf. Inzwischen ist es bei Touristen, Historikern, Fotografen und Künstlern beliebt und dient gelegentlich auch als Filmlocation für Musikvideos, ruppige Horrorfilme und Werbetrailer.
Claus Donau
160 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Basel 2025 (in Vorbereitung)
→ Mondo Salamone
→ Museo Epecuen
→ Museo Carhué
→ Radio Perfil (Buenos Aires)
→ Epecuén Documental completo (Video)
→ El viaje (Fernando Solanas)
→ Argentiniens Atlantis (Der Spiegel)
→ El Agua mala (Josefina Licitra, Interview)
→ Argentinisches Parlament (Beschluss der Kulturkommission)
→ Miss Bolivia/Perotá Chingó ‹Menos Mierda› (Official Video)
→ Los Tipetos ‹Vivelo› (Music video)
→ Red Bull/Danny McAskill