Lektorat, Produktion
Portraits Kanak – Paroles Kanak
Historische Fotografien von Fritz Sarasin, zeitgenössische Texte aus Neukaledonien
Die Vision, wonach traditionelle Werte in modernen Gesellschaften weiterleben, hat den sozialistischen Unabhängigkeitskämpfer Jean Marie Tjibaou zeitlebens begleitet. Dass dies keine Träumerei war, kommt in der Publikation ‹Portraits Kanak–Paroles Karnak› deutlich zum Ausdruck. Fotografien, die Fritz Sarasin und Jean Roux auf ihrer Forschungsreise durch Neukaledonien 1911–1912 gemacht hatten, waren Auslöser für Reflexionen von heutigen Frauen und Männern über das, was im Bild des Menschen enthalten ist. 1995 präsentierte das Musée de Nouvelle-Caledonie in Nouméa erstmals die Fotos. Im Besucherbuch gaben Kanak, ausgelöst von den Blicken ihrer Vorfahren, ihrem Stolz und ihrer Dankbarkeit Ausdruck.
‹Portraits Kanak–Paroles Karnak› entstand parallel zur gleichnamigen Ausstellung im Basler Museum der Kulturen. Die Buchgestaltung verzichtet auf jegliches Dekor, konzentriert sich auf die Fotografien und die Statements und bringt die Stimme der Kanak zum Klingen. Die Gegenüberstellung der historischen Fotos mit den Besucherkommentaren ist erschütternd und schlägt einen Bogen von der Verbannung bis in die Gegenwart. Ab 1887 galt in Nouvelle-Calédonie der Code de l’indigénat, der die Kolonialverwaltung zu Enteignungen, Kollektivstrafen und Verhaftungen aller Nichtfranzosen ohne vorhergehendes Gerichtsverfahren ermächtigte. Angesichts der jüngsten Unabhängigkeitskonflikte ist die Aktualität der Dokumentation frappierend. Noch immer ist die einstige Kolonie der französischen Gesetzgebung unterworfen. Ein neues Wahlrecht will neu Zugezogenen, darunter Grossgrundbesitzer und Tourismusunternehmen, dasselbe Stimmrecht zustehen wie der autochthonen kanakischen Bevölkerung. Dies marginalisiert die Kanak und führt zu einer Neudefinition von «einheimisch», ähnlich wie es bei den Konflikten zwischen Marokko und den Sahrouris in der Westsahara geschieht.
«In diesem Blick ist alles enthalten, die Herausforderung, und auch Ohnmacht, zusammen mit dem Willen zu überleben.»
«Er hat einen direkten, aber unruhigen Blick. Man sieht es seinem Mund und seinen Schultern an, dass er dem Fotografen misstraut. Er sieht so aus, als hätte er tief Luft geholt, bevor er sich vor den Fotografen hinstellte.»
«Hier, auf diesem Foto, sieht man gewissermassen unsere Seele. Die Seele jedes einzelnen von uns, jedes jungen Kanak.» (Zitat aus dem Besucherbuch von 1995)
Museum für Völkerkunde Basel / Christian Kaufmann (Hg.)
Centre Culturel Jean-Marie Tjibaou, Agence de la Développement de la Culture Kanak (ed.)
96 Seiten, zahlreiche Abbildungen, gebunden, 18,5 x 27,5 cm. Einführung: Christian Kaufmann; Text: Roger Boulay; mit einem Gespräch zwischen Emmanuel Kasarhérou, Cécile Mozziconacci und Roger Boulay (Gestaltung/Lithografie: Atelier Urs & Thomas Dillier; Lektorat: Claus Donau; Druck: Schwabe). Basel 1996