Lektorat, Produktion


Neorealismo
Die neue Fotografie in Italien 1932–1960

Die italienische Fotografie, ebenso wie der Film und die Literatur, durchlief eine Phase des ‹Neorealismo› und dokumentierte den Zusammenbruch des faschistischen Regimes und den Wandel zu einer modernen Gesellschaft. Während Mussolinis Propagandamaschinen ein geschöntes Italien zeichneten, zeigten die Bilder neorealistischer Fotografen den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf: Sie lösten sich vom Mythos der «Bella Italia» ab und stellten ein hartes, bisweilen karges Italien vor. In der von Enrica Viganò und Urs Stahel herausgegebenen Publikation, die parallel zur gleichnamigen Ausstellung im Fotomuseum Winterthur erschien, zeichnet Giuseppe Pinna die Entwicklung des fotografischen Neorealismo nach; Gian Piero Brunetta verfolgt den Weg des neorealistischen Kinos, und Bruno Falcetto denkt über den Neorealismus in der Litera­tur nach. Der grosszügige Bildteil spiegelt Alltag, Arbeit und Armut in Italien, streift durch das Landesinnere bis hinab in die Schwefelminen von Agrigento und dokumentiert Elend und Wiederaufbau nach einem verlorenen Krieg. Auch das Wirkungsfeld von Fotojournalismus und Illustrierten und das Funktionieren der italienischen Fotoclubs werden beleuchtet. Ergänzt wird der faszinierende Bilderkosmos durch Enrico Manfredinis Kurzlexikon zu Fotografen, Fotojournalisten, Fotokritikern, Zeit­schriften und Ausstellungen und vollendet damit ein wichtiges Standardwerk der dokumentarischen Fotografie.

«Der Bildteil dokumentiert in eindrücklicher Weise die hohe Qualität und die reiche thematische und formale Vielfalt der neorealistischen Fotografie. Im Abschnitt ‹Realismus im Faschismus› finden sich neben Bildern des faschistischen ‹Istituto Luce›, die den Fortschritt und die Industrialisierung Italiens zeigen, zahlreiche Aufnahmen zur Armut und Gläubigkeit des Landes, beispielsweise die berührende Serie zur Pilgerwanderung in Vallepietra von Luciano Murpugo.» Nora Mathys, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie


Enrica Viganò / Fotomuseum Winterthur
340 Seiten, mehr als 250 Abbildungen, gebunden, 24 x 29 cm (Gestaltung: Hanna Williamson-Koller; Lektorat: Claus Donau; Lithografie: FGV Cernusco; Druck: Grammlich). Basel 2007